Arbeitsproben

Hier war es etwas ruhiger in den letzten Wochen, untätig war ich trotzdem nicht:

Für die Fabrikzeitung habe ich einen Text darüber geschrieben, warum die „Digitalisierung“ nicht immer neue Machtfragen aufwirft.

Dies sind nur einige der vielen Beispiele, die Giblin und Doctorow in «Chokepoint Capitalism» aufführen, bei denen Kreativ-Arbeiter:innen systematisch gegenüber den Content-Plattformen benachteiligt werden. Nur in den wenigsten Fällen macht dabei den entscheidenden Unterschied, dass diese Plattformen im digitalen Raum agieren. Stattdessen spielen intransparente Verträge, Copyright-Regelungen zum Nachteil von Artists, Betrug, Unwissenheit auf Seiten der Künstler:innen und ihre mangelnde Organisation eine weitaus wichtigere Rolle.

In der Stadtrevue stehen diesen Monat Texte zum Kölner Hausprojekt LC36 und über Daniela Dröschers Buch „Die Lügen meiner Mutter“, das die Gleichförmigkeit der alten BRD körperlich nachzeichnet und trotzdem nicht komplett damit bricht.

Für das Radio habe ich auch mal wieder was gemacht – ausgerechnet zum Thema KI/Machine Learning und Musik. Für DLF Kultur habe ich mich gefragt, ob nicht sowohl der utopische und der dystopische Hype zum Thema etwas überzogen sind. Und auf Cosmo habe ich ein Kendrick-Lamar-Stück mithilfe von KI/ML gebaut und damit ein paar Probleme und Chancen von KI erklärt.

Und dann hab ich noch einen kurzen Text über Coby Sey geschrieben, dessen Konzert auf dem Week-End-Festival eins der besten gewesen ist, die ich in den letzten Monaten gesehen habe.

Das soll fürs erste reichen. Bald mehr hier – gleiche Stelle, gleiche Welle.

Schwarzer Gurt im Flow

Der zumindest in meiner Bubble viralste DJ-Moment der letzten Monate ist seit dieser Woche erhältlich: „Rumble„. Bekannt geworden ist es durch das Boiler-Room-Set von Fred…again vor ein paar Monaten. Es gibt eine lustige Geschichte mit Four Tet zum Track und irgendwie gibt es wohl auch ein neues Album von Skrillex. Das sind die Headlines.

Der eigentliche Star des Tracks ist jedoch jemand anders: das körnige Tieftontimbre von Flowdan.

Es ist nicht sein erster Hit. Vor knapp anderthalb Jahrzehnten war Flowdan die Stimme von „Skeng“, das bis heute das ist, was im Englischen ein „certified banger“ heißt: ein verzerrtes Dubstep-Stück von Ex-Industrial-Musiker und großem Soundsystem-Fan The Bug, dessen Refrain eigentlich immer noch für reichlich Konvulsionen sorgt. Ich weiß nicht, wie viele Sets von The Bug mit Flowdan ich im Laufe der letzten Jahre schon gesehen habe, aber schon beim ersten (in einem Club am Strand von Brighton) war es „Skeng“, das alle Leute vor dem Mischpult versammelt hat.

„Skeng“ war ein Zufallsprodukt. Kevin Martin (aka The Bug) wollte eigentlich ein Stück mit Riko Dan aufnehmen, der ebenso wie Flowdan in den Nullerjahren Teil der Grime-Posse Roll Deep (CN: Wiley) war. Aber Riko Dan war im Studio wohl so unfreundlich, dass Martin das Stück lieber mit Flowdan aufgenommen hat, wie er im Interview mit Cosmo erzählt hat.

Für Flowdan war das ein Glücksfall. Seit zwei Jahrzehnten ist sein grummeliger Flow auf einigen der besten Tracks der UK-Bassmusik-Szene zu finden: bei Lethal Bizzle, Kahn und natürlich auf seinen Soloalben. Wenn es halbwegs fair zuginge, müsste „Rumble“ sein Durchbruch auf die Mainstream-Dancefloors sein, zumindest wenn ihm die beiden Stadion-DJs dafür auch den nötigen Raum einräumen. Denn im Boiler Room hat Flowdans Stimme zwar für den meisten Lärm gesorgt – er selbst war jedoch nicht zu sehen.

Still confused, higher level

Eine der besten Entscheidungen des letzten Jahres war, mir einen Twitch-Account zuzulegen. Eigentlich wollte ich nur „Return to Monkey Island“ gemeinsam mit ein paar Nerd-Bekannten spielen, die über Deutschland verteilt sind. Aber dann hat es mir so viel Spaß gemacht, dass ich mich entschlossen habe, jeden Sonntag abend ein Spiel zu streamen. Geplant sind Adventures oder eine andere Art von „narrative-driven games“. Das kommt mir gut gelegen: Für Spiele, die nur ein Minimum an motorischen Skills verlangen, fehlt mir sowieso das Training.

Am meisten Spaß macht mir eigentlich die Interaktion: Man spielt halt nicht alleine, sondern es schauen einem ein paar Menschen beim Spielen über die Schulter. Sie haben Tipps, machen Witze und googlen in der Zwischenzeit die Trivia zusammen, die so ein Narrative Game erst zu einer Story machen.

Besonders geholfen hat mir das beim letzten Spiel, dem Mittelalter-Krimi „Pentiment„. Es spielt in der fiktiven bayerischen Kleinstadt Tassing, wo der Protagonist Andreas Maler eine Ausbildung in der örtlichen Abtei macht. Der Mäzen dieser Abtei, Baron Rothvogel, wird ermordet, und als Spieler*in begibt man sich auf die Suche nach der/dem Schuldigen. Und spätestens da zeigt sich, dass Krimi vielleicht das falsche Genre für dieses Spiel ist. Denn auf die Frage „whodunnit?“ gibt es keine Antwort, wie Spieldesigner Josh Sawyer erzählt:

Ich habe sehr viele Detektivspiele gespielt, und mir gefiel nie, dass sie wie Puzzles sind. Dass man so lange spielt und versucht, bis man auf die eine richtige Lösung kommt. Im 16. Jahrhundert war es schwer, an physische Beweise zu bekommen, das Rechtssystem entsprach noch nicht modernen Standards, und es gab keine echte Forensik, also gab es auch selten Gewissheit. Für mich stand das Konzept im Vordergrund, den Spieler entscheiden zu lassen und die Folgen dessen zu zeigen, und deshalb präsentieren wir verschiedene Verdächtige, von denen es jeder getan haben könnte. Irgendjemand muss für den Mord büßen – nur wer? Das muss nicht der sein, der am verdächtigsten scheint, sondern vielleicht der, der es aus Spielersicht am meisten verdient hat oder in der Gemeinschaft am wenigsten vermisst werden wird. Ich finde, die besten Entscheidungsszenarien sind die, die den Spieler seine eigenen Werte überdenken und reflektieren lassen. Diese Ambiguität steht im Zentrum des Spiels.

Pentiment zeichnet dann die Konsequenzen dieser Entscheidung für die Tassinger Dorfgemeinschaft und die Psyche der Hauptfigur nach: Welche Mythen erzählen wir uns, um den Ereignissen Sinn zu verleihen? Und wie verändern sich diese Mythen im Laufe der Zeit, wenn sich das Sinnbedürfnis dieser Gemeinschaft verändert hat? Das sind eigentlich naheliegende Fragen, die ich in einem Videospiel aber noch nicht so oft gestellt bekommen habe. Und ebenso naheliegend ist es, dass der Antagonist der Spielfigur die Antwortmöglichkeiten auf diese Fragen einschränken möchte. Aber genug gespoilert.

Das Schöne am gemeinsamen Spielen ist, dass diese dann ja doch etwas prätentiöse Intention des Spiels im Chat wieder manipuliert wird. Mal geht es um die Tierdarstellungen in den Marginialien der Spielmenüs, dann um Tiere am Wegesrand und dann wiederum um Tiere im Einflussbereich der Nonnen. Okay, meistens geht es um Tiere – so ein Chat hat halt sein eigenes (Un-)Sinnsbedürfnis.

Hit the North

In March and April, I spent some time in the UK as part of the journalist residency programme of the Goethe-Institute in London. I mostly did research in Rochdale, a small town in North-West England, where I taught German in 2001/2002. Rochdale is one of those towns in the north that are both multicultural and have a long Labour tradition. In 1844, the world’s first co-op was founded there. In the 2016 Brexit referendum, it voted “leave”. I wanted to find out why and how that decision has affected the citizens of Rochdale.

All of this was around the proposed Brexit date, so it was quite an exciting time. I doubt I have followed national news as closely as I did back than. Thankfully, I was also fortunate enough to meet many interesting people in the North, so that I could produce a radio feature for the Bayerische Rundfunk, which you can listen to here.

I also produced some shorter pieces for the BR and WDR Cosmo, which you can listen to here and here,  and here and another one that I haven’t archived yet. Also, this article for the taz on how the British left struggles to cope with the Brexit fallout.

Motorcity Emptiness

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Ich habe heute eine nette Mail aus Detroit erhalten: „Really appreciate you telling Detroit’s many stories to your readers“, schreibt Joel Stone von der Detroit Historical Society. Im September war ich sechs Tage in der Stadt, habe auch ihn getroffen sowie einige andere Leute. Und ein paar Geschichten sind auch dabei herausgekommen:

PS: Das Foto zeigt die Ecke Rosa Parks Blvd/Clairmont, wo 1967 die Detroit Riots ausgebrochen sind.

 

History repeating…repeating…repeating

Black Workers Movement

Manche Auseinandersetzungen sind anstrengend, weil sie so geschichtsvergessen daherkommen. Und deshalb schreibt man alle paar Jahre ähnliche Sachen. So geht es mir im Moment, sobald ich einen Text des Ideenhistorikers Mark Lilla lese. Seitdem Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde und dabei aufgrund des Wahlsystems der USA ein paar Rust-Belt-Wahlkreise mit enttäuschten Ex-Wählern der Demokraten eine entscheidende Rolle gespielt haben, wird Lilla öfter nach seiner Meinung gefragt. Denn Lilla hat ein Thema, das Linksradikale und Rechts-Populisten vereint: Er ist Gegner von „Identitätspolitik“.

Die Identitätspolitik hat einzig bewirkt, dass die Konservativen unsere Institutionen immer fester im Griff haben. Es wäre höchste Zeit, dass die Linksliberalen eine Spitzkehre machen und sich wieder zu ihren Kernprinzipien bekennen: Solidarität und gleiche Chancen für alle. Nie hat das Land dies mehr gebraucht.

Das stand letzte Woche in der NZZ und es klingt ja erstmal nicht unvernünftig: Studierende artikulieren Erfahrungen, die sie aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Sexualität oder ihres Geschlechts machen als individuelle Erfahrungen und nicht als Erfahrungen einer Gruppe, die den Erfahrungen anderer marginalisierter Gruppen eventuell ähnlich sein könnten. Genau das sei der neoliberale Trick und damit ist Lilla gar nicht so weit entfernt von dem, was Mark Fisher vor ein paar Jahren als „Vampire Castle“ bezeichnet hat:

Capital subdued the organised working class by decomposing class consciousness, viciously subjugating trade unions while seducing ‘hard working families’ into identifying with their own narrowly defined interests instead of the interests of the wider class; but why would capital be concerned about a ‘left’ that replaces class politics with a moralising individualism, and that, far from building solidarity, spreads fear and insecurity?

Das Problem mit Lillas Argumentation scheint mir aber ihre Auflösung zu sein. Fisher identifiziert Identitätspolitik immerhin noch als „bourgeois mode of identification“, bei Lilla ist es nur noch ein Verlust von „Bürgersinn, Solidarität und Gemeinwohl“. Und so ähnlich liest sich dann auch seine Alternative:

Um Reagans Herausforderung zu begegnen, hätten wir Linksliberalen eine ehrgeizige neue Vision für Amerika und seine Zukunft entwickeln müssen – eine, die Menschen aus allen Bevölkerungsschichten und allen Landesteilen erneut als Bürger zusammengeführt hätte. Stattdessen rieben wir uns im Nullsummenspiel der Identitätspolitik auf und verloren den Sinn für das, was uns alle zur Nation eint. (Meine Hervorhebung)

„Das, was uns alle zur Nation eint“ — ein neuer Patriotismus also. Reagans und Trumps Anrufung der Amerikaner als Amerikaner wird dadurch zusammengehalten, dass alle Amerikaner „Unternehmer ihres Selbst“ sind. Lillas Alternative ist ein Amerika, in der nicht Kid Rock und „The Apprentice“ den Rahmen der amerikanischen Subjektivität bestimmen, sondern der sozialdemokratische Rock von Bruce Springsteen und „The West Wing“.

Dieser Mangel an Vorstellungskraft zeigt sich auch dann, wenn Lilla über rassistische Erfahrungen spricht:

Black Lives Matter ist ein Paradebeispiel dafür, wie man Solidarität zerstört statt aufbaut. Die Bewegung hatte die Misshandlung von Afroamerikanern durch die Polizei angeprangert: Das war ein Weckruf für jeden Amerikaner, der ein Gewissen in sich trägt. Aber als die Bewegung diese Misshandlungen zur Basis einer grundsätzlichen Anklage gegen die amerikanische Gesellschaft machte und öffentliche Beicht- und Bussrituale zu fordern begann, spielte sie damit lediglich den Republikanern in die Hände. Ich bin kein dunkelhäutiger Autofahrer, und ich werde nie wissen, wie er sich am Steuer fühlt. Umso wichtiger wäre es, dass ich mich auf irgendeine Weise mit diesen Menschen identifizieren kann; und die Tatsache, dass wir beide amerikanische Bürger sind, ist das Einzige, was wir mit Sicherheit gemeinsam haben.

Hier zeigt sich die Lücke in Lillas Argumentation: Er spricht nicht über die Klassenstruktur Amerikas und wie diese mit rassistischen Erfahrungen zusammenhängt, sondern Rassismus ist für ihn eine private Erfahrung im semi-privaten Raum: dem Auto. Diese Lücke hat er mit Walter Benn Michaels gemeinsam, der vor acht Jahren mit einer ähnlichen Polemik Diversity gegen den Klassenbegriff ausspielen wollte. Beide können aber nicht verstehen, dass ein Arbeitsplatz der primäre Ort rassistischer Erfahrung sein kann. Das war vor 50 Jahren bei den Detroit Riots schon so. Und das hat sich bis heute nur im Detail geändert.

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Der Blogumzug ist komplett, deshalb kurz was für die nähere Zukunft.

Die neue Ausgabe der testcard ist fertig und auch nach Weihnachten noch ein schönes Geschenk.

Wir stellen die Ausgabe vor:

11.01.2015     Düsseldorf    Kunstverein (schon um 16.30 Uhr, dafür mit Kaffee und Kuchen)

15.01.2015     Leipzig          Schauspiel/Baustelle

16.01.2015    Köln               Gold + Beton

07.02.2015     Marburg        Trauma

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Just a position?

Also drücken sie aufs Gaspedal, die Akzelerationisten, um der tatsächlichen Zerstörung rasch näher zu kommen, die erst das Neue ermöglicht. (SpOn)

Dass die Beschleunigungsdenker von der Logik der Libido etwas verstehen, zeigt sich schon darin, wie sie den Akzelerationismus als hippe philosophische Jugendbewegung verkaufen. Mit dem Kapitalismus gegen den Kapitalismus: Früher hieß eine solche Haltung wohl “strategische Affirmation”. Srnicek, Williams und Co. nehmen die Versprechen des Neoliberalismus ernst und wollen lieber nicht Attac-mäßig Sand im Getriebe sein, sondern Öl ins Feuer gießen. (taz)

Die Akzelerationisten hingegen denunzieren Demokratie als Störfaktor beziehungsweise als immer schon ideologische Maskerade. Dann doch lieber gleich Elitenpolitik von oben, was für eine Logik! (taz)

Und was steht im Manifest selbst?

Die ideologische Selbstdarstellung des neoliberalen Kapitalismus behauptet, dass er Kräfte kreativer Zerstörung entfesselt und so sich immer weiter beschleunigende technische und soziale Innovationen freisetzt. (…) Wir mögen uns vielleicht schnell bewegen, aber nur innerhalb eines streng definierten Sets stabiler kapitalistischer Parameter. Wir erleben nichts als die ansteigende Geschwindigkeit in einem beschränkten Horizont, ein simples, hirntotes Vorpreschen anstelle einer Beschleunigung, die auch navigiert, die ein experimenteller Entdeckungsprozess innerhalb eines allgemeinen Möglichkeitsraumes ist. Die letztere Form der Beschleunigung halten wir für die wesentliche. (…)

Wir geben keine bestimmte Organisation an, mit der sich diese Leitlinien in idealer Form umsetzen ließen. Was jetzt nötig ist – was immer schon nötig war – ist eine Ökologie der Organisationen, ein Pluralismus aus Kräften, die fortwährend aufeinander reagieren und sich gegenseitig verstärken. Sektiererei würde der Linken ebenso wie Zentralismus den Todesstoß versetzen. In diesem Sinn begrüßen wir weiterhin das Experimentieren mit verschiedenen Strategien (auch solchen, denen wir nicht zustimmen).

Hm. Vielleicht ist der schnelle Theoriekonsum nicht immer die beste Art der Auseinandersetzung…

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Eigentlich sollte an diese Stelle etwas über Marks Text über das Vampires Castle (blöder Ausdruck, btw). Aber ich mag darüber nicht mehr nachdenken. Es ist ja eh ein Abschiedsbrief gewesen.

Als Ersatz gibt es wieder K-Punk. Endlich.

Remember who the enemy is – a message, a hailing, an ethical demand that calls out through the screen to us …. that calls out to a collectivity that can only be built through class consciousness …. (And what has Collins achieved here if not an intersectional analysis and decoding of the way that class, gender, race and colonial power work together – not in the pious academic register of the Vampires’ Castle, but in the mythographic core of popular culture – functioning not as a delibidinizing demand for more thinking, more guilt, but as an inciting call to build new collectivities.)

»Privilegien« sind Rationalisierungen des Irrationalen, das letztlich Willkür und gerade deshalb nicht zählbar ist. The odds are never in our favour.